Familienalltag mit Hund.

23.03.2021

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Kategorie: Familie

Mein Hund schnappt nach meinem Sohn, was soll ich machen?

Ich sitze am Küchentisch einer junge Frau gegenüber, auf dem Arm hält sie ihr wenige Wochen altes Baby, ihr kleiner Sohn krabbelt auf dem Boden und sie sieht angestrengt und erschöpft aus. Mit trauriger Stimme erzählt sie von Charly, ihrem Border Collie-Mix, den sie vor 9 Monaten plötzlich, aufgrund eines bösartigen Tumors, einschläfern lassen musste. „Charly war so lieb, er hat überhaupt keine Probleme gemacht, mein Sohn hat ihn geliebt.“ sagt sie. Ich wusste es wird schwierig einen neuen Hund bei uns aufzunehmen, auch weil ich schwanger war. Aber ich konnte einfach nicht ohne Hund leben. Ich habe Charly so vermisst. Wir haben uns für einen Welpen entschieden, ich wollte von Anfang an alles richtig machen. So ist Sam bei uns eingezogen, ein Border Collie Rüde. Er ist jetzt 5 Monate alt und ich weiß einfach nicht mehr weiter. Er lässt sich nicht beruhigen, er will 24 Stunden lang Aufmerksamkeit von mir, dabei beschäftige ich mich wirklich viel mit ihm. Er ist sehr frech, er zerstört Spielzeug und klaut meinem Sohn Essen aus der Hand. Das schlimmste ist, dass er nun anfängt, meinem Sohn hin und wieder in den Arm zu zwicken. Er beißt nicht, aber es war schon Speichel am Arm. Ich mache mir große Sorgen, wenn das so weiter geht, dann kann Sam nicht bei uns bleiben.

Innerlich seufze ich einmal tief. Ich habe Mitleid mit meiner Kundin, sehe ihre Erschöpfung. Auch um die Kinder mache ich mir Sorgen, sie merken, dass ihre Mama traurig ist. Außerdem sollte die Familie ein sicherer Ort sein, an dem man als Kind keine Angst vor einem Hund haben sollte. Und vor allem mache ich mir Sorgen um Sam.

Häufig werden wir erst kontaktiert, wenn „das Kind in den Brunnen gefallen ist“, oder hier vielleicht passender – wenn der Hund in den Brunnen gefallen ist. Leider, denn um ein harmonisches Zusammenleben zu ermöglichen, ist es sehr hilfreich bereits während der Schwangerschaft mit dem Training zu beginnen. Soll ein Welpe einziehen, macht die Suche nach einem guten Züchter das Familienleben leichter, denn die Sozialisierungsphase des Welpen kann die Familientauglichkeit des Hundes entscheidend beeinflussen. Lernt  der Welpe bereits beim Züchter fremde Menschen und Kinder kennen, kann er später viel entspannter mit verschiedenen Situationen umgehen.

Worauf sollte ich bei der Auswahl eines Welpen oder eines Hundes achten?

Im Vorfeld sollte man sich Gedanken machen, welche Anforderungen an den Familienhund gestellt werden und welche Charaktereigenschaften dieser haben sollte. Hierzu zählen beispielsweise, dass ein Hund bereits viele positive Erfahrungen mit verschiedenen Menschen gemacht hat, diesen freundlich begegnet, verträglich mit anderen Hunden ist und Spaß daran hat Neues zu lernen. Außerdem sollte man sich überlegen wie groß der Hund sein soll, ob es ein Rüde oder eine Hündin sein soll, aber auch das Aussehen des Hundes ist wichtig. Sowohl Hündinnen, als auch Rüden können gute Familienhunde sein, während sich Kinder vor dunklen Farben, insbesondere vor schwarzen Hunden, häufiger fürchten. Auch erwachsene Hunde aus dem Tierschutz, können gute Familienhunde sein. Der bereits gefestigte Charakter hilft, den passenden Hund auszuwählen und der Hund kann den Menschen von Beginn an im Alltag begleiten, während man beim Welpen Rücksicht auf das Alter nehmen muss und ihn nicht überfordern darf. Favorisiert man eine bestimmte Rasse, sollte man sich im Vorfeld darüber informieren, für welche Aufgabe diese Rasse ursprünglich gezüchtet wurde und ob man diesen Anforderungen innerhalb der Familie gerecht werden kann. Der Border Collie gehört beispielsweise zu den Hütehunden und zeichnet sich unter anderem durch eine hohe Arbeitsbereitschaft aus. Die Körperliche, aber auch die geistige Auslastung muss in der neuen Familie gewährleistet sein. Viele Hundeschulen bieten eine Beratung vor dem Einzug eines Hundes an. Hier kann man alle relevanten Fragen stellen und gemeinsam schauen, welcher Hund am besten in die Familie passt.

Man könnte auch denken: Kleine Kinder und Hund? Das passt doch nicht zusammen. Eltern sollten sich entscheiden, sonst kommen die Kinder, oder aber der Hund schnell zu kurz. Doch trotz vieler Probleme, die im Zusammenleben entstehen können, haben Kinder, die mit einem Hund aufwachsen die Möglichkeit, eine Menge zu lernen. Neben der Stärkung des Selbstbewusstseins, lernen Kinder verantwortungsvoll mit einem anderen Lebewesen umzugehen. Spielerisch können Eltern ihre Kinder dabei unterstützen sich Wissen anzueignen. Was frisst ein Hund, was bedeutet es wenn der Hund hechelt oder mit der Rute wedelt. Wie verhalte ich mich, wenn ein Hund auf mich zuläuft und wie streichel ich einen Hund, sodass es ihm gefällt. Kinder können die Bedürfnisse des Hundes kennenlernen und bei der Versorgung wie beispielsweise dem Füttern helfen. Hunde können dem Kind dabei helfen, sich mit Tabuthemen wie der Sexualität, dem Tod und Krankheiten auseinander zu setzen. Viele Erwachsene erinnern sich beim Thema Hund an einen treuen Spielkamarad, dem man alles erzählen kann, der nicht wertet oder urteilt. Gemeinsam erlebt man die Natur, denn der Hund braucht täglich Auslauf. Manchmal kann ein Hund auch dabei helfen, Freunde zu gewinnen, denn ein Hund kann etwas besonderes sein und Nähe schaffen.

Im Zusammenleben mit einem Hund neigen wir in vielen Situationen dazu, den Hund zu sehr zu vermenschlichen. Damit der Hund ein entspanntes und artgerechtes Leben innerhalb der Familie ausleben kann, ist es wichtig, sich über die Stellung des Hundes innerhalb der Familie Gedanken zu machen. Wir träumen davon, dass der Hund unsere Kinder nicht als Welpen, sondern als ebenso starke Familienmitglieder anerkennt und sich von ihnen erziehen lässt. Dies ist eines der gravierendsten Missverständnisse im familiären Zusammenleben mit Hunden. Denn Fakt ist: Solange ein Mensch noch in der Pubertät steckt, riecht er für den Hund noch nicht wie ein erwachsener. Unsere Hunde werden viel schneller älter als unsere Kinder. Hunde sehen Kinder also als „nicht-erwachsene“ Lebewesen, diese können daher keine erzieherischen Aufgaben übernehmen. Die Erwachsenen sollten die Elternrolle gegenüber dem Hund übernehmen. Regeln und Strukturen helfen, sich im Familienverbund zu orientieren. Im Folgenden zeige ich dir, welche Regeln wichtig sind:

Damit der Traum vom harmonischen Miteinander zwischen Kind und Hund wahr wird, helfen verschiedene Regeln:

Regeln für Kinder:

  • Das Kind beugt sich nicht über den Hund

Für uns Menschen ist das Vornüberbeugen eine eher freundliche Geste. Beobachtet man jedoch Hunde untereinander, stellt man fest, dass es sich bei ihnen um eine begrenzende Geste handelt. Der Hund der zum Beispiel den Kopf bei einem anderen Hund auflegt und einen gewissen Druck ausübt, signalisiert dem anderen stehen zu bleiben und nicht weiterzulaufen. Aus solchen Situationen können ernsthafte Konflikte entstehen, daher sollten Kinder eine solche Geste dem Hund gegenüber nicht zeigen.

  • Das Kind klettert nicht über den Hund

Hunde haben nicht die Möglichkeit uns über Sprache mitzuteilen, dass sie etwas unangenehm finden. Kann ein Hund sich einer Situation nicht entziehen, hat er nur die Möglichkeit durch Knurren oder andere Drohgesten auf diese Situation zu reagieren. Zeigt der Hund Warnsignale wie Knurren oder Fixieren müssen die Eltern sofort eingreifen. Warnsignale dürfen hierbei nicht unterbunden werden. Bestraft man einen Hund der durch Knurren sein Unwohlsein geäußert hat, wird er in der nächsten Situation das Warnen unterdrücken und stattdessen vielleicht eher zuschnappen, wenn die Situation bestehen bleibt. Daher sollten wir als Eltern darauf achten, dass das Kind dem Hund nicht versehentlich Schmerzen zufügt oder den Hund bedrängt.

  • Das Kind schaut dem Hund nicht in die Augen

Hält ein Hund den direkten Blick länger als 2 Sekunden, kann dies als Drohgebärde gemeint sein. Daher sollten auch wir Menschen darauf achten, einem Hund nicht länger in die Augen zu starren, da dies zu Kommunikationsmissverständnissen führen kann.

  • Das Kind zwingt den Hund zu nichts

Das Kind sollte den Hund weder hochheben, noch tragen oder ihn verkleiden. Es gibt Röntgenbilder von schweren Knochenbrüchen des Hundes, weil dieser vom Arm des Kindes gesprungen ist und sich dabei verletzt hat.

  • Das Kind stört den Hund nicht im Schlaf

Der Liegeplatz des Hundes sollte ein ruhiger Rückzugsort sein. Damit sich der Hund ausreichend erholen und regenerieren kann, sollte er beim Schlafen in Ruhe gelassen werden.

  • Das Kind stört den Hund nicht beim Fressen

Kind und Hund sollten nicht um Ressourcen konkurrieren. Damit es zu keinem Konflikt komm, weil der Hund sein Fressen verteidigt, sollte er in Ruhe fressen können.

  • Das Kind tut dem Hund nicht weh

Das Kind sollte dem Hund weder an den Ohren, noch am Fell oder der Rute ziehen. Manchmal erzählen mir Eltern sehr stolz, dass obwohl das krabbelnde Kind sich am Hund hochgezogen und die ersten Schritte gemacht hat oder den Hund an den Ohren gezogen hat, nichts Schlimmes passiert ist. Die Hunde ließen es über sich ergehen. Aus Erfahrung heißt das aber nicht, dass es so bleibt. Eine Tierarztkollegin erzählte mir von einem Fall in ihrer Praxis. Die Eltern waren sehr empört, dass der Hund nach den Kindern geschnappt hat. Bei der weiteren Untersuchung fand sie mehrere Tacker Nadeln in der Haut im Ohr des Hundes. Aus meiner Sicht ein Wunder, dass nicht schlimmeres passiert ist. Wir haben die Verantwortung für unsere Hunde, diese sollten wir wahrnehmen und den Hund vor Schmerz und Leid schützen.

  • Das Kind korrigiert den Hund nicht

Kinder lernen durch Beobachtung ihrer Eltern. Daher sollte man darauf achten, nicht in der Gegenwart eines Kindes mit dem Hund zu schimpfen, da Kinder ein solches Verhalten nachahmen können.

  • Das Kind macht keine Zieh- und Zerrspiele

Stattdessen kann man dem Kind zeigen, wie man einen Hund vorsichtig am Bauch oder an der Seite streichelt, oder wie man einem Hund Kekse aus der Hand füttert.

  • Das Kind bricht heftiges Spiel sofort ab

Zeigt der Hund dem Kind gegenüber bedrängendes Verhalten oder das Kind fühlt sich nicht wohl, sollte es immer die Möglichkeit haben, einen erwachsenen um Hilfe zu bitten.

Du erwartest ein Kind und ihr seid auf der Suche nach einem Hund? Gerne beraten wir dich und unterstützen dich bei der Suche, sodass Kind und Hund harmonisch zusammen aufwachsen können. Alle Infos findest du auf unserer Homepage: www.martinruetter.com/oldenburg

Verena Nittmann

Geschrieben von Valérie Pöter

Inhaberin/Tierärztin und Hundetrainerin Martin Rütter DOGS Oldenburg

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